Kurze Geschichte der Pathologie Basel - Von den Anfängen bis Heute

Der Lehrstuhl für pathologische Anatomie in Basel wurde am 15.1.1855 geschaffen. 1855 bestanden damit 5 Lehrstühle: Anatomie und Physiologie, Botanik, Pathologie, Medizinische Klinik und Chirurgie. 1875 folgte ein Lehrstuhl für Geburtshilfe.

Die Geschichte der Pathologie in Basel reicht aber bis ins 16. Jahrhundert zurück. 1588 richtete in Basel der angesehene Medizinprofessor und Stadtarzt Felix Platter (1536-1614) ein erstes sog. anatomisches Theater nach dem Vorbild eines Amphitheaters ein. Tief unten in der Mitte stand - erhellt von Kerzen und Fackeln - ein drehbarer Sektionstisch. Kreisförmig sind nach hinten ansteigend mehrere Reihen von Sitzbänken und Stehplätzen angeordnet. 6 Jahre später - 1594 - entsteht in Padua eine ähnliche Einrichtung, die noch heute besteht. Felix Platter nahm etwa 300 Sektionen vor. Die Sektion erfolgte öffentlich und war in Basel ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges. Nicht der Streit um die Richtigkeit der alten medizinischen Texte bzw. der eigenen Beobachtungen stand im Vordergrund, sondern der Unterhaltungswert für das Publikum. Alle, die gesellschaftlich etwas auf sich hielten, drängten zu diesem Ereignis. Die vorderen Reihen waren der Prominenz vorbehalten, den Medizinprofessoren und den herausragenden Personen des öffentlichen Lebens, die zweite Reihe war für die Kandidaten der Medizin reserviert, die übrigen Plätze standen den Chirurgen (Barbieren) und dem übrigen Publikum gegen entsprechendes Eintrittsgeld offen. Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Schausektionen war relativ gering. Die eigentliche Einführung der pathologischen Anatomie und damit der wissenschaftlichen Autopsie erfolgte erst durch den italienischen Arzt und Naturforscher Giovanni Battista Morgagni (1682-1771) durch die Veröffentlichung des Werkes "Über den Sitz und die Ursachen der Krankheiten, aufgespürt durch die Kunst der Anatomie" 1761. Morgagni wollte in seiner Arbeit die Beziehungen zwischen Krankheitssymptomen, Krankheitsverlauf und Sektionsbefund darlegen. Einen Höhepunkt der Sektionstätigkeit erlebte man im Wien des 19. Jahrhunderts. Dort wurde nahezu jeder verstorbene Patient eines Krankenhauses obduziert. Karl Freiherr von Rokitansky (1804-1878) soll während seiner Laufbahn allein 30.000 Sektionen durchgeführt und 70.000 Sektionen überwacht haben. In diese Zeit fiel die Gründung der Pathologie Basel.

Friedrich Miescher

Friedrich Miescher (1855-1871)

Zum ersten Lehrstuhlinhaber wurde Friedrich Miescher-His (1855-1871), der Vater des Entdeckers der DNS, gewählt, der bereits früher den Lehrstuhl für Physiologie der Universität Basel (1837-1844) innehatte. Als Pathologe war er ein Schüler von Johannes Müller (Berlin). In seiner Dissertation unter der Leitung von Müller unter dem Titel: De ossium genesi, structura et vita, unterscheidet er als Erster zwischen hyalinem, elastischem und Faserknorpel. Später galt sein Hauptinteresse der Helminthologie. Zu den besten "Stücken" in seiner Sammlung gehörte ein Stück amerikanischer Speck mit Trichinen. Ein bemerkenswertes wissenschaftliches Oeuvre hinterlässt er nicht. Lesenswert ist die handschriftlich vorliegende Rektoratsrede (1853) zum Gedenken an Albrecht von Haller. 1871 trat Miescher, 60-jährig, von seinem Amt zurück, mit der Begründung "der Umfang der medizinischen Wissenschaften und die stets wachsenden Anforderungen des Unterrichts verlangen eine frische und volle Kraft, die er, nachdem er seine besten Jahre der Basler Universität gewidmet habe, nicht mehr bieten könne". Miescher zog sich in seine Privatpraxis zurück. Jeremias Gotthelf soll von ihm gesagt haben "das schon bei seinem Eintritt ins Zimmer es dem Kranken wohlet". Miescher war nicht nur Wissenschaftler und Arzt sondern auch ein grosser Sänger, der u. a. in Haydn's Schöpfung als Solist auftrat.

Moritz Roth

Moritz Roth (1872-1897)

Auf Miescher folgte vorübergehend der Anatom C.E.E. Hoffmann, der bereits 1872 von Moritz Roth abgelöst wurde. Roth, in Basel geboren, war Assistent Virchows bevor er nach Greifswald berufen wurde. Bereits nach 4-jähriger Tätigkeit in Greifswald erhielt er den Ruf nach Basel, primär als Extra-Ordinarius, ab 1874 als Ordinarius. Hier lehrte er von 1872-1897 die pathologische Anatomie, um sich dann 59-jährig seiner Lieblingsbeschäftigung der Medizingeschichte zuzuwenden. Als sein wissenschaftliches Hauptwerk gilt sein Buch über Andreas Vesalius Bruxelliensis (1514-1564). Vesal verfasste als Anatom das höchst einflussreiche Buch: De humani corporis, das die Bedeutung der Autopsie hervorhebt und in Basel gedruckt wurde.

Roth schaffte - so die Chronik des Instituts für Pathologie - das erste Mikroskop für das Institut an. In die Zeit Roth fiel auch der Neubau der pathologischen Anstalt im Spitalgarten. Bis dahin war die Pathologie in einigen Zimmern im unteren Kollegiengebäude untergebracht. In seinem letzten Jahresbericht fasste Roth das Ziel seiner Amtszeit zusammen: "Wer in Basel studiert hat, der hat etwas gelernt", dies soll in der Schweiz anerkannt werden.

Eduard Kaufmann

Eduard Kaufmann (1898-1907)

Nachfolger Roth's wurde Eduard Kaufmann (1898-1907) aus Breslau. In seine Amtszeit fiel die wesentliche Erweiterung der "Pathologischen Anstalt". Als Verfasser des bekannten Lehrbuchs galt er in Basel als "Mann des gewaltigen Wissens". Die Basler Chronik vermerkt, dass Kaufmann unermüdlich an diesem Lehrbuch gearbeitet habe. Selbst in Konzertpausen machte er Notizen. In seine Basler Amtszeit fällt die Vorbereitung der 4. Auflage seines Lehrbuchs „Spezielle Pathologie“, das von Pathologen schlicht als "Das Buch" oder scherzhaft auch "Die Bibel" bezeichnet wurde. Die ersten 10 Auflagen (bis 1950) wurden von ihm selbst im Verlauf von 40 Jahren geschrieben und von 600 Zeichnungen von eigener Hand begleitet. Hier kam ihm sein Studium der Kunstgeschichte zu Nutze. Das Buch, übersetzt in viele Sprachen trug ihm und der deutschen Pathologie grosses Ansehen ein. Von den Basler Studenten ist ein Liedtext übermittelt, wahrscheinlich zur Basler Fasnacht gesungen:

"Von des Kaufmanns Lexikon
weiss ich tausend Seite schon.
Lieber Himmel, hilf mir doch,
durch die andern tausend noch.
Aber hier auf Erden!"

1907 folgte er dem Ruf nach Göttingen. Er blieb Basel zeit seines Lebens verbunden. Jeden Ferienaufenthalt in der Schweiz verband er mit einem Besuch in der Basler Pathologie

Ernst Hedinger

Ernst Hedinger (1907-1922)

Auf Kaufmann folgte noch 1907 Ernst Hedinger (1907-1922). In seinen Berufungsunterlagen finden sich folgende Bemerkungen: Seine Rednergabe sei bescheiden- das sei aber für einen Pathologen nicht wichtig-, sein wissenschaftliches Oeuvre dürftig, seine 15 Arbeiten zeugten aber von scharfem Verstand, seien einfach und klar. Man gab ihm neben prominenteren Mitbewerbern den Vorzug, um eine baldige Wegberufung zu vermeiden. Er wurde vorerst nur zum ausserordentlichen Professor ernannt. Erst nachdem er, die in ihn gesetzten "Hoffnungen in vollem Masse erfüllt hatte", erfolgte die Ernennung zum Ordinarius 1908.

Hedinger war mit dem Personal und der Einrichtung des Instituts unzufrieden. Auf Hedinger geht - so die Chronik - die Einführung der Schreibmaschine und des elektrischen Lichts im Institut zurück. Hedinger verlangte viel: "Der Tag hat 24 Stunden zum Arbeiten". Das galt nicht nur für seine Studenten, Mitarbeiter, sondern auch für ihn selbst. Sein besonderes Interesse galt der speziellen pathologischen Anatomie in der Diagnostik von Operationspräparaten und am Sektionstisch. Die Wertschätzung, die Hedinger in Basel genoss, geht am besten daraus hervor, dass ihm der Chirurg Hotz CHF 3'000.-- pro Jahr als Zusatzkredit für die Pathologie anbot, um ihn in Basel zu halten. Trotz aller Widerwertigkeiten und Schwierigkeiten in Basel, lehnte Hedinger Berufungen nach Genf, Frankfurt und Königsberg ab. 1922 folgte er aber dem Ruf nach Zürich. Bei seinem Weggang aus Basel heisst es: Die Universität verliert mit ihm einen der tüchtigsten Dozenten und einen von Kollegen hoch geachteten Pathologen.

Robert Rössle

Robert Rössle (1922-1929)

Der Basler Chirurg Hotz, der als "Headhunter" von der Basler Fakultät eingesetzt wurde, bereiste die deutschen Lande auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Er empfahl Robert Rössle (1922-1929) als Ordinarius für Basel, weil er beim Besucher der Headhunter aus Basel 400 Studenten durch seine meisterhafte Vorlesung zu fesseln verstand. Die Forderungen Rössle's waren unglaublich hoch. Dazu gehörten die Anschaffung einer "guten" Schreibmaschine und die Installation einer Haustelefonanlage. Sein Hauptwunsch war aber die Anstellung eines 1. Assistenten mit dem Titel Prosektor. Hinter den Forderungen Rössle's verbirgt sich mehr. Von ihm erwarteten die Behörden einen Ausbau der allgemeinen Pathologie in Basel, weil dies "für die medizinische Denkweise der Basler Ärzte von Bedeutung sei".

Rössle verlieh der pathologischen Anstalt einen neuen Charakter. Früher lag das Hauptaugenmerk des Instituts auf dem Prosekturgeschäft, bedingt durch den Umstand, dass das Institut für Pathologie bis zur Berufung Rössle's Eigentum des Bürgerspitals war. Mit der Übernahme des Instituts durch den Staat und der Umwandlung in ein Universitätsinstitut erhielt die pathologische Anstalt den Charakter eines allgemeinen wissenschaftlichen Instituts, das der Krankheitsforschung diente. Sein wissenschaftliches Hauptinteresse galt der Entzündung, die er in sinnreichen Experimenten untersuchte. Lesenswert ist heute noch seine Arbeit über die „Hepatitis und Hepatose“, die in der Schweizerischen medizinischen Wochenschrift publiziert wurde. Als Sternstunde der Pathologie gilt sein Vortrag anlässlich der 19. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (1923) in Göttingen, der die Histopathologie der Entzündung zum Thema hatte. Einen weiteren wissenschaftlichen Schwerpunkt bildeten Konstitution und Alter. Dieser Schwerpunkt verbindet sich mit F. Roulet, den er als einzigen Basler Mitarbeiter nach Berlin nahm. Mit ihm publizierte er das Buch „Mass und Zahl in der Pathologie“ (1932), das auf Untersuchungen in Basel basiert.

Nachdem Rössle mehrere Berufungen nach Bonn und Heidelberg abgelehnt hatte, was ihm jeweils durch Gehaltserhöhungen leichter gemacht wurde, folgte er schliesslich dem Ruf nach Berlin als Nachfolger von O. Lubarsch. An Rössle haben die Basler nur die besten Erinnerungen, so erzählten vor Jahren noch ältere Basler Ärzte von den "Rössli-Spielen", den wöchentlich abgehaltenen pathologisch-anatomischen Demonstrationen, die sich allergrösster Beliebtheit erfreuten.

Werner Gerlach

Werner Gerlach (1929-1936)

Nach Rössle kam die "dunkle" Zeit der Basler Pathologie. Sie verbindet sich mit dem Namen Werner Gerlach. Gerlach war in Basel als Prosektor Rössle's bestens bekannt. Nach seiner Habilitation (1922) in Basel übernahm er 1924 die Prosektur des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Barmbeck und anschliessend das Ordinariat in Halle. Gerlach wurde 1929 berufen erinnerte man sich doch in Basel gern an einen beliebten und temperamentvollen Lehrer und einen engagierten Forscher. In Basel entfaltete er eine rege Forschungstätigkeit vor allem über die Spektralanalyse in der Pathologie. Er übernahm den Autopsiedienst im Nachbarkanton Basel-Landschaft und setzte die Bezahlung aller histologischen Untersuchungen von Operationspräparaten und Biopsien durch. Doch Anfang der 30-iger Jahre begann das "Trauerspiel", das Bonjour in der Geschichte der Basler Universität wie folgt, kurz und bündig abhandelte: "In den 1930-iger Jahren nahm Gerlach aktiv an der Bewegung der nationalsozialistischen Partei teil, obgleich er dem Vorsteher des Erziehungsdepartements das Versprechen abgegeben hatte, sich jeder politischen Tätigkeit in der Schweiz zu enthalten, was alles in der baslerischen und schweizerischen Öffentlichkeit, der Zwischenkriegszeit, hohe Wellen warf. Nach einem gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahren wurde er 1936 entlassen. Gegen seine Entlassung reichte Gerlach Rekurs ein, den das Appellationsgericht gut hiess, worauf Gerlach wieder in alle Rechte und Pflichten als Dozent und Anstaltsvorsteher eintrat. Der unerquicklichen Situation machte das deutsche Reichsministerium ein Ende, in dem es Gerlach auf eine planmässige Professur zurückrief." Von Kollegen und ehemaligen Studenten wurden seine politischen Aktivitäten zum Teil überhaupt nicht wahrgenommen oder als nicht gravierend erachtet. Gerlach wurde nach Jena berufen, wo er bis 1939 blieb, um anschliessend als Generalkonsul nach Island zu gehen. In Jena amtete er im Range eines SS-Sturmbannführers als medizinischer Dekan. Aus dieser Zeit ist von ihm nur eine Anweisung über die pietätvolle Durchführung von Sektionen bei SS-Angehörigen bekannt. Die wissenschaftliche Aktivität Gerlachs' erlosch mit seinem Weggang aus Basel. Bei Kriegsende wurde er von den Amerikanern interniert. Nach seiner Freilassung eröffnete er eine Labor für Pathologische Untersuchungen im Allgäu. Bei einem späteren Besuch in Basel, so wird berichtet, verliess sein Nachfolger „fluchtartig“ das Institut durch den Hinterausgang als Gerlach durch den Haupteingang das Institut betrat.

Andreas Werthemann

Andreas Werthemann (1937 - 1967)

Gilt die Zeit Rössles als die grosse Zeit der Basler Pathologie, die Zeit Gerlachs als die "dunkle", so folgt mit Andreas Wertemann die goldene Zeit der Basler Pathologie, der man sich heute noch gerne erinnert. Werthemann hatte seine Ausbildung zum Pathologen bei Rössle erfahren. 1924 wurde er Prosektor, 1924 habilitierte er sich, 1931 wurde er unter Gerlach Abteilungsleiter, 1934 ausserordentlicher Professor. 1937 wurde er als 2. Basler zum Nachfolger Gerlachs gewählt. 30 Jahre, bis 1967, leitete er das Institut für Pathologie. Seine Liebe galt als Urbasler dem Zunftleben, der Musik - lange war er der einzige Basler, der ein Cembalo besass - und der/seiner Pathologie. Er förderte die Autopsie, die Untersuchungsstation für Biopsien und Operationspräparate und die Entwicklung neuer Methoden in der Pathologie. Die Autopsiezahlen nahmen von 1937 bis 1967 von 1030 auf 2064 zu. Die histologischen Untersuchungen von Biopsien und Operationspräparaten von 3927 auf 23'622. Das Methodenspektrum wurde um Histochemie, Elektronenmikroskopie und Zellzüchtung bereichert. Sein wissenschaftliches Interesse galt den Missbildungen. Im Verlauf der Thalidomid (Contergan) Katastrophe war er ein gefragter wissenschaftlicher Berater und Experte. Seine grösste wissenschaftliche Leistung war, wie er glaubte, die Identifizierung des Schädels von Erasmus von Rotterdam (Desiderius Erasmus von Rotterdam, geboren 1466, gestorben 1536 in Basel, bedeutender holländischer Humanist und Theologe), die sich nach seinem Tod als Fehlinterprätation erwies. Die von ihm angewandte Technik, das Schädelskelett in Abbildungen von Erasmus zu projizieren, kann als Vorläufer der heute in der Rechtsmedizin vielfach eingesetzten Computer –assistierten Gesichtsrekonstruktion angesehen werden.

Seine Schüler und Mitarbeiter waren Frédéric Roulet (bis 1955), Friedrich Gloor (bis 1970), Siegfried Scheidegger (bis 1970).

F. Roulet widmete sich nach seiner Rückkehr aus Berlin dem Studium der Tropenkrankheiten, die er während seiner Afrikareisen unter anderem zu Albert Schweizer in Lambarene kennengelernt hatte. Bis 1995 untersuchte das Institut für Pathologie regelmässig Gewebsproben, die aus Lambarene eingesandt wurden. Seit 1941 stand Roulet dem neu gegründeten Schweizerischen Tropeninstitut als Experte zur Seite. Sein Buch „Methoden der pathologischen Histologie“ fand ein breites Interesse. 1959 übernahm er die Leitung der Forschungsgruppe für experimentelle Pathologie der Firma Geigy.

F. Gloor wurde bekannt durch seine systematischen Arbeiten zur Analgetikanephropathie. Ab 1970 übernahm er die Leitung des Instituts für Pathologie am Kantonsspital St. Gallen.

S. Scheidegger ist der Begründer der Neuropathologie in Basel. Er war ein äusserst geschätzter klinischer Pathologe, dem der Basler Chirurg und Sauerbruchschüler Rudolf Nissen in klinisch-pathologischen Konferenzen stets das letzte Wort zugestand. Er übernahm ab 1970 die Leitung des neu geschaffenen Kantonalen Instituts für Pathologie Basel-Landschaft (in Liestal).

Die gesamte Amtszeit Werthemann's war geprägt durch die grosse Bedeutung, die er der Dienstleistung in der Pathologie beimass. Das Wort Routine erregte sein Unbehagen. In seiner Abschiedsvorlesung sagte er: "Unter Routinearbeit versteht man eine stumpfsinnige, langweilige, untergeordnete Förderbandarbeit, für welche ein 8-Stunden-Tag schon zuviel ist. Spricht man von einer Arbeit als Routinearbeit, dann wird man sie bewusst oder unbewusst deklassieren. Man wird einer anderen Betätigung den Vorzug geben wollen."

Hans-Ulrich Zollinger

Hans-Ulrich Zollinger (1967-1980)

Hans-Ulrich Zollinger, ein Schüler von v. Meyenburg (Zürich), wurde zum Nachfolger Werthemann's aus Freiburg im Breisgau nach Basel berufen. Ihn begleiteten oder folgten L. Bianchi, Hanspeter Rohr, Philipp Heitz und viele andere, die bis vor wenigen Jahren im Institut tätig waren. In seine Amtszeit fällt der Neubau des Instituts. Die Pläne konnte Zollinger von Werthemann übernehmen, der jahrzehntelang ein neues Institut geplant hatte, stets in der Hoffnung, es auch in seiner Amtszeit noch beziehen zu können. Der Neubau konnte schliesslich 1971 bezogen werden. Zollinger galt wie Werthemann eine engagierte Tätigkeit in der klinischen Pathologie alles. Der Auf- und Ausbau von neuen Methoden (Elektronenmikroskopie, Immunhistologie, später Enzymhistochemie, Immunhistochemie und Morphometrie) wurden engagiert vorangetrieben und die Resultate in die diagnostische Arbeit integriert. Seine besondere Leistung bestand jedoch in der Förderung der Spezialisierung in der Pathologie. Er war überzeugt, dass auch der beste Pathologe nicht mehr alle Fachgebiete beherrschen könne. So ist es nicht verwunderlich, dass er die Neuropathologische Abteilung schuf, die Kinderpathologie förderte, die Abteilung für Zytopathologie gründete, die Hepatopathologie unterstützte und das Knochenregister, heute Knochentumor-Referenzzentrum initiierte. Auch wenn er selber lieber ein histologisches Präparat einer Autopsie bzw. eines grösseren Operationspräparates anschaute, war er fasziniert von den Möglichkeiten, klinisch relevante Diagnosen an kleinsten Biopsien unter Einsatz aller neuen morphologischen Techniken stellen zu können. Seine Ambivalenz kommt am Beispiel der Zytopathologie am besten zum Ausdruck. Einerseits las er alles Erhältliche über die zytopathologische Diagnostik, andererseits lehnte er die Möglichkeit zytolopathologisch ein Karzinom diagnostizieren zu können, rundheraus ab. Gleichzeitig gründete er aber die zytopathologische Abteilung und förderte die Ausbildung eines Mitarbeiters zum Zytologen. Über seinem Engagement in der Dienstleistung darf sein Interesse für Forschung und Lehre nicht vergessen werden. Mindestens einmal pro Woche wurde nach dem Stand der Forschung gefragt.

In der Lehre war er allen neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen. Er gehörte zu den Pionieren der audiovisuellen Kurse. Er publizierte einen programmierten Histopathologiekurs. Er war ein begeisterter und begeisternder Lehrer, auch wenn dies die Studenten oft erst nach dem Staatsexamen realisierten. Berühmt (bei Studenten) und „berüchtigt“ (bei Kollegen) waren seine Thieme Taschenbücher über die allgemeine und spezielle Pathologie, die im Telegrammstil über die wichtigsten Fakten informierten aber nicht nur von Studenten gelesen sondern auch von Kollegen (allerdings nur bei geschlossener Tür) konsultiert wurden. Die „Blauen Bücher“ wurden in viele Sprachen übersetzt und werden heute noch bei ebay angeboten. Viele Nierenerkrankungen wurden von Zollinger erstmals beschrieben u.a. die Phenacetinniere (Analgetikanephropathie), die jahrzehntelang zu den wichtigsten Nierenerkrankungen in der Schweiz gehörte. Sein Handbuch „Niere und ableitende Harnwege“ (1966) war für Jahrzente das Standardwerk der Nierenpathologie genauso wie „Renal pathology in biopsy“ publiziert 1978 zum Teil heute noch von Nierenpathologen konsultiert wird. Der bedeutende französische Nephrologe F. Richet sagte einmal von ihm, "alles, was Zollinger beschrieben hat, ist wahr". Ein grösseres Lob kann man als Wissenschaftler nicht bekommen.

Ein Pathologe ist ehrlich - "wir machen Fehler und stehen dazu." Rössle sagte "ein Pathologe muss saubere Füsse haben"- will sagen: "begangene Fehler dürfen nicht vertuscht, oder unter den Tische gewischt werden". Hätte Zollinger Rössle gekannt, wären sie allein schon deshalb Freunde geworden. In die Amtszeit Zollingers fällt auch die Gründung des Instituts für Pathologie Basel-Landschaft in Liestal (1970). Eine "unglückliche" interkantonale Entwicklung in der Gesundheitspolitik hatte den Auf- und Ausbau medizinischer Einrichtungen in Basel-Landschaft provoziert. In diesem Zusammenhang war es jedoch folgerichtig, auch ein Institut für Pathologie in Basel-Landschaft zu gründen, dessen Leitung S. Scheidegger übernahm.

Philipp U. Heitz

Philipp U. Heitz (1982 - 1989)

Nach einem Interregnum von L. Bianchi und Hp. Rohr wurde Philipp U. Heitz, ein Schüler von Zollinger, 1982 gewählt. Während seiner Amtszeit wurde die EDV eingeführt und die Pathologie erfuhr eine methodische Erneuerung.

63 Jahre nach Anschaffung der ersten Schreibmaschine hielt die EDV im administrativen Einzug. Die Schreibmaschine war OUT, das Terminal an jedem Arbeitsplatz IN. Ein neues Software-Paket "Pathosys" setzte sich rasch in der ganzen Schweiz durch.

Ein Meilenstein war die methodische Erneuerung durch die Einführung der Immunzyto-/ histochemie. Sie brachte einen tiefgreifenderen Wandel der Pathologie als jede andere Methode zuvor. Diese Methode führte die Pathologie heraus aus der reinen Beschreibung der tinktoriellen Zustände (HE-Pathologie) in eine Beschreibung von molekularen Zusammensetzungen und Prozessen. Dadurch gelang es, die klassische klinische Pathologie mit der Zellbiologie enger zu verknüpfen. Davon profitierte nicht nur die Diagnostik sondern in besonderem Masse auch die Forschung. Nach 5 Jahren konnte er, wie Hedinger vor ihm, dem Ruf an die grössere Pathologie nach Zürich nicht widerstehen.

Michael J. Mihatsch

Michael J. Mihatsch (1989 - 2007)

Sein Nachfolger wurde ein weiterer Zollinger-Schüler, Michael J.Mihatsch. In diese Zeit fällt die Gliederung des Instituts in die Abteilungen- Histopathologie (Autopsie, Biopsie), Zytopathologie, Neuropathologie, Molekularpathologie- und die konsequente Spezialisierung der Pathologen –gastro-enterologische Pathologie, Hämatopathologie, Knochenpathologie, Kinderpathologie, Neuropathologie, Transplantationspathologie- auf die von den Basler Kliniken gepflegten Schwerpunkte. Gleichzeitig wurden das Labor für gynäkologische Zytologie im Frauenspital und die Ophthalomopathologie des Augenspitals in das Institut integriert. Diese Organisation wird allgemein als „Basler Modell“ in der deutschsprachigen Pathologie bezeichnet. Die Molekularpathologie für diagnostische und wissenschaftliche Zwecke wurde ausgebaut. Die telemedizinische Diagnostik wurde besonders vorangetrieben durch M. Oberholzer.- Lehre und Forschung wurden im Geist der Vorgänger gefördert. Mit dem Institut für Rechtsmedizin besteht eine freundschaftlich kollegiale Zusammenarbeit, die u.a. in der Übernahme der Histopathologietechnik für die Rechtsmedizin ihren Ausdruck findet. Die Gründung des "Universitären Departements für Pathologie beider Basel" erfolgte am 1.1.2000 mit dem Ziel das Schisma in der Gesundheitspolitik durch Schaffung von Netzwerken zu überwinden.

Die Leitlinien des Instituts waren: Disziplin und höchste Leistungen in der Diagnostik, Enthusiasmus in der Lehre und bei der Förderung angehender Pathologen, Freiheit in der Forschung und Kooperationsbereitschaft mit Kliniken und anderen Instituten für Pathologie. 25 Pathologen wurden habilitiert, 7 wurden auf Lehrstühle berufen bzw. zu Chefärzten gewählt: Holger Moch (Zürich), Guido Sauter (Hamburg), Mathias Jucker (Hirnforschung, Tübingen), Gad Singer (Kantonsspital Baden), Markus Tolnay (Basel), Volker Nickeleit (Nierenpathologie, Chapel Hill North Carolina, USA), Luigi Terracciano (Pathologie, Humanitas Universität, Mailand).

Zahlreiche intenational beachtete Beiträge zur Forschung und Entwicklung im Fach Pathologie wurden geleistet, unter denen denen besonders die Entwicklung der "Tissue microarray (TMA)" Technologie und die Telemedizin (ipath) hervorzuheben sind. Die TMA Technologie ist heute weltweit eine unverzichtbare Technik in der Forschung. Für den Nephrologen und die Schweizer Bevölkerung sind die Forschungsbeiträge zu Elemination der sogenannten “Phenacetinniere” (Analgetikanephropathie), an der Generationen von Pathologen des Basler Instituts wesentlichen Anteil haben.

Literatur: 

H.Trinkler Aus der Geschichte der Pathologie und ihrer Anstalt in Basel Helbing & Lichtenhahn, Basel 1972

A.Werthemann Über 100 Jahre Pathologie Basel

Verh.Dtsch.Ges.Path.47:1(1963)